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30.04.2025

Theologe Bogner: „Papst Franziskus ist mutige Schritte gegangen, weitere können nun folgen“

Daniel Bogner:„Franziskus hat wahrscheinlich so viel für mehr Beteiligung von Frauen getan wie kein Papst vor ihm, aber entscheidende Schritte stehen auch noch aus“. Foto: Anika Taiber-Groh

Der Neumarkter Theologe Daniel Bogner lehrt Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Fribourg/Schweiz. Foto: Stéphane Schmutz

Bogner, Daniel: Liebe kann nicht scheitern. Welche Sexualmoral braucht das 21. Jahrhundert? Verlag Herder, 2024 ISBN: 978-3-451-39850-6

Der verstorbene Papst Franziskus hat dafür gesorgt, dass eine offene Debatte über die Sexual- und Beziehungsethik in der Kirche möglich ist. Davon ist Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Fribourg/Schweiz, überzeugt. „Er hat wahrscheinlich so viel für mehr Beteiligung von Frauen getan wie kein Papst vor ihm, aber entscheidende Schritte stehen auch noch aus“, sagt der aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Theologe im Interview.

Herr Bogner, Papst Franziskus hat viele Türen aufgestoßen – so wurde es nach seinem Tod bereits mehrfach gesagt. Gilt das auch für die Sexualmoral der Kirche?

Daniel Bogner: Der Papst hat ganz sicher Vieles in Bewegung gebracht. Unter seinem Pontifikat hat die Theologie wieder begonnen, echte Debatten zu führen, etwa auf dem Gebiet der Sexual- und Beziehungsethik. Auch wenn der Papst selbst, was Fragen nach dem Geschlechterverhältnis und Geschlechterrollen anbelangt, sicher ein eher traditionelles Verständnis hatte, hat er dafür gesorgt, dass in der Kirche zunehmend ein offener Austausch gepflegt werden kann. Erkenntnisse aus Human- und Kulturwissenschaften können in das theologische Denken einbezogen werden, ohne dass man Angst haben muss, gemaßregelt zu werden. Das ist ein Gewinn. Auf der anderen Seite steht aber Vieles noch aus, weil der Papst zwar Türen geöffnet hat, aber damit nicht schon eine Korrektur und Neufassung bestehender, problematischer Positionen stattgefunden hat. Ein Beispiel? Es wäre an der Zeit, eine veränderte Bewertung von Homosexualität auch in die offiziellen, lehramtlichen Positionierungen aufzunehmen: Sie ist eine Form menschlicher Sexualität, eine Schöpfungsgabe und damit Ausdruck der Breite und Tiefe von Gottes reichem Schöpfungswerk.

Können sich Menschen, die nicht der gängigen katholischen Sexualmoral und den damit einhergehenden Geschlechterrollen entsprechen, seit Papst Franziskus freier und angenommener in der Kirche fühlen?

Das ist sicher so. Aber es bleibt auch ein schaler Beigeschmack, solange sich der neue Ton nicht auch in veränderten lehramtlichen Positionen und kirchenrechtlichen Regelungen ausdrückt. Die Annahme sollte ja nicht allein auf Toleranz und Mitmenschlichkeit beruhen, sondern auf echter, auch theologisch begründeter Anerkennung, dass bisherige Verurteilungen nicht länger angemessen sind. Die Kirche hat alles in der Hand, um verantwortet solche Korrekturen vorzunehmen, wenn sie den Maßstab von Liebe, gegenseitiger Verantwortung und Gegenseitigkeit heranzieht, der doch ihrem biblischen Auftrag entspricht. Eine Liebe zwischen Menschen, die von Gottes Liebe zu seinem Geschöpf zeugt, muss dann nicht auf eine bestimmte biologische Konstellation festgelegt sein, sondern kann den Gedanken der Fruchtbarkeit in einer breiteren Weise zugrunde legen. Menschliche Liebe kann auf vielfältige Weise fruchtbar werden, auch wenn Kinder und Elternschaft sicherlich eine ganz besondere Gestalt dieser Mitschöpferschaft sind.

Wie bewerten Sie „Fiducia Supplicans“ und die dort festgelegte Einschränkung „Es handelt sich um eine Segnung von Personen, nicht von Lebensformen“?

Das Dokument ist der Versuch, die Tür einen kleinen Spalt zu öffnen. Dabei merkt man den Willen, einerseits Bewegung in die festgefahrene Position zu bringen, andererseits aber jene Teile der Weltkirche bei der Stange zu halten, die an der bisherigen Verurteilung von Homosexualität festhalten wollen. Das kann eigentlich nicht gutgehen. Es kommt zu einer irgendwie schizophrenen Perspektive, weil man den Menschen sagt: Als Menschen seid ihr Gottes Geschöpfe und deswegen gut, aber was ihr lebt, ist es nicht. Das ist eine Aufspaltung zwischen der Person und einem der wesentlichsten personalen Vollzüge, die man sich vorstellen kann, der Sexualität, und entspricht eigentlich gar nicht dem sonstigen kirchlichen Verständnis von Sexualität. Ich sehe die Erklärung als vorsichtigen ersten Schritt, dem weitere folgen müssen.

„Die Kirche ist gerufen, die Menschen zu begleiten, nicht sie auszugrenzen. Das verlangt Zeit, Geduld, Zuhören – und manchmal den Mut, neue Wege zu gehen“, heißt es im nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“. Papst Franziskus signalisierte damit eine Öffnung bei der Sakramentenspendung an geschiedene Wiederverheiratete. Ist diese Veränderung in der Praxis der Kirchengemeinden angekommen?

In der Tat hat der Papst mit diesem Dokument und den Aussagen einen großen Schritt nach vorne getan. Da die neue Praxis aber den Gemeinden vor Ort anheimgestellt ist, hängt es oft vom entsprechenden pastoralen Personal ab, ob sich der Geist von „Amoris Laetitia“ nun wirklich Bahn bricht oder nicht. In manchen Gemeinden ist es sicher angekommen, aber es ist gesamtkirchlich doch immer noch eine eher verschämt wirkende neue Praxis. Meine Sorge ist, dass solche Neuerungen, wenn sie nun nicht deutlicher ausgearbeitet und auch kirchenrechtlich verankert werden, wieder einschlafen und damit auch das Anliegen, das Papst Franziskus bewegt hat.

„Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe – deshalb ist die Frau wichtiger als der Mann.“ Sind solche Aussagen nicht Wasser auf den Mühlen von Bewegungen wie „Tradwives“, die ein Frauenbild hochhalten, das stark an „Kinder, Küche, Kirche“ erinnert, obwohl der Papst eigentlich Würde und Bedeutung der Frau stärken will?

Ja, dieses Verständnis von Geschlechterrollen, das bestimmte kulturell gewachsene Muster als gegeben und gar religiös gewollt annimmt, tauchte in den Reden des Papstes immer wieder auf. Als wenn nicht auch Männer fürsorglich und emotional kompetent sein könnten, und als ob es keine Frauen gäbe, die Talent zum Leiten und Ordnen hätten. Dazu passt, dass Papst Franziskus wie seine Vorgänger die kirchenamtlichen Vorurteile und Verurteilungen eines Denkens mit dem Begriff „Gender“ fortgesetzt hat. Das ist traurig und auch ein Verlust, weil gerade aus christlicher Perspektive doch geltend gemacht werden müsste, dass wir eine Verantwortung haben, unsere Welt nicht als naturhaftes Schicksal zu begreifen, sondern sie unter der Maßgabe von Freiheit und gleicher Würde zu gestalten. „Gender“ meint genau das: Menschsein folgt natürlich bestimmten Vorgaben von Natur her, aber Vieles wird auch von der Kultur geprägt und beeinflusst. Und diese Prägungen gilt es immer wieder kritisch zu beleuchten und zu korrigieren – wenn etwa einem Geschlecht Lebenschancen und Teilhabe vorenthalten oder machtvoll genommen werden.

Papst Franziskus sprach sich häufig und leidenschaftlich für Gerechtigkeit und gegen Ausgrenzung aus. Dennoch hielt er am Ausschluss von Frauen aus Weiheämtern fest. Hat er hier eine Chance verpasst, als Reformer in die Geschichte einzugehen?

Er hätte durchaus ein paar Schritte weitergehen und dennoch seiner Verantwortung gerecht werden können, die Kirche weltweit zusammenzuhalten. Er hat wahrscheinlich so viel für mehr Beteiligung von Frauen getan wie kein Papst vor ihm, aber entscheidende Schritte stehen auch noch aus. Ich denke, er ist persönlich nicht davon überzeugt, dass es richtig, wahr und notwendig wäre, Frauen den Zugang zum geweihten Amt zu eröffnen. Dafür wiederum ist er sehr fair und respektvoll mit den Befürwortern dieser Position umgegangen, zu denen auch ich selbst mich zähle. Ich bin überzeugt, dass der Weg zur Weihe von Frauen unumkehrbar ist, aber es ist bislang offen, wie klar und entschieden die Kirche ihn geht. Ein Papst kann viel dafür tun, dass möglichst viele diesen Weg mitgehen können und dass die Kirche weltweit zusammenbleibt. Ich wünsche mir, dass aus dem Anliegen des weltweiten Zusammenbleibens nicht reflexartig ein Gegenargument gegen die notwendige Weiterentwicklung der eigenen Lehre geformt wird.

Haben Äußerungen von Papst Franziskus Ihr neues Buch „Liebe kann nicht scheitern“ beeinflusst bzw. inspiriert?

Ganz sicher. Ich fühle mich ermutigt und bestärkt, wenn der Papst zu den Verantwortlichen in der Kirche, und dazu gehört auch die Theologie, sagt: „Macht voran, habt keine Angst, traut euch auch, Fehler zu machen – aber geht voran!“ Theologie ist für mich der Auftrag, mich in den Dienst der Kirche zu stellen, indem überlieferte Traditionen und Positionen immer wieder überprüft werden, angesichts neuer Erkenntnisse, veränderter Erfahrungen und aktueller Problemstellungen. Papst Franziskus hat den Glauben für mich auf eine höchst glaubwürdige Weise interpretiert, indem er ihn als eine Quelle für Kreativität und Erneuerung auslegt. Theologie ist im Kern nicht die Pflege und Konservierung von Christentumsgeschichte, sondern die beständige Suche danach, wie das lebendige Wort Gottes in unserer Zeit auszulegen und zu verstehen ist.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann


„Liebe ist der Versuch, den Himmel zu greifen“

In seinem Buch Liebe kann nicht scheitern. Welche Sexualmoral braucht das 21. Jahrhundert? (2024 im Herder Verlag erschienen) setzt sich Daniel Bogner kritisch mit der traditionellen Sexualmoral der Kirche auseinander. Als Theologe sehe er sich der Frage gegenüber: „Hat nicht das Christentum ein ziemlich belastetes Verhältnis zu allem, was Liebe, Sex und Beziehung anbelangt?“ Er argumentiert, dass die kirchlichen Lehren zu Liebe, Sexualität und Partnerschaft oft realitätsfern und normativ überholt sind. Demgegenüber entwirft er ein neues Beziehungskonzept, das die Vielfalt menschlicher Lebens- und Liebessituationen würdigt und die Ressourcen des christlichen Glaubens nutzt, um ein inklusives und lebensnahes Verständnis von Liebe zu fördern.

Mit dem Begriff „Liebe“ meint er die Sehnsucht des Menschen nach Zugehörigkeit, Nähe, Getragen-Sein und Solidarität. Bogner betont die Bedeutung von Selbstverantwortung, Entwicklung und gegenseitiger Achtung in Beziehungen, unabhängig von deren Dauer oder gesellschaftlicher Anerkennung. „Für mich ist eine Neugier leitend – danach, wie sich in Liebe und liebendem Begehren Spuren eines geglückten Menschseins finden lassen; eine Neugier danach, wie wir besser damit umgehen können, dass das Lieben oft so schwierig ist und wir den Eindruck haben, damit zu scheitern.“ Ausgangspunkt für sein Buch ist die Überzeugung, „dass wir nicht zu schnell vom ‚Scheitern’ des Liebens sprechen sollen. Besser wäre es zu sehen, dass Menschen immer an Grenzen stoßen, weil das eben zum Menschsein gehört. Und dass es ehrlich ist zu sagen: Liebe ist ein kühnes Projekt, der Versuch, den Himmel zu greifen, der Wunsch, das Unmögliche möglich zu machen. Aber ehrlich ist es auch zu akzeptieren: Liebe kann nicht alles“.

Die nächsten Termine

Sonntag, 18. Mai
18.00 Uhr
Gedenkgottesdienst im Klinikum
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Katholische Klinikseelsorge Neumarkt
Samstag, 24. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Donnerstag, 29. Mai
19.00 Uhr
The Gregorian Voices
Ort: Klosterkirche St. Josef Neumarkt
Freitag, 06. Juni
10.00 Uhr
10.00 Uhr
Montag, 09. Juni
09.00 Uhr
Franziskanische Gemeinschaft - III. Orden
Ort: Wallfahrtskirche Maria Hilf Freystadt
Veranstalter: Franziskanerkloster Freystadt
Samstag, 21. Juni
09.00 Uhr
Wir trauen uns - Ehevorbereitungskurs
Ort: Diözesanjugendhaus Habsberg
Veranstalter: Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Neumarkt-Roth-Schwabach
Samstag, 28. Juni
10.00 Uhr
Donnerstag, 03. Juli
09.00 Uhr
Franziskanische Gemeinschaft - III. Orden
Ort: Wallfahrtskirche Maria Hilf Freystadt
Veranstalter: Franziskanerkloster Freystadt