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24.06.2022

Wie sie einander lieben - Gedanken zum Herz-Jesu-Fest

Foto: pixabay

„Seht, wie sie einander lieben!“ – So beschreibt der christliche Schriftsteller Tertullian um das Jahr 200 herum den Zusammenhalt der ersten Christen. Sicherlich wird mit diesem Wort auch die Gründungsphase der Kirche ein wenig idealisiert. Aber es blieb aus den ersten Jahrzehnten des Christentums nicht hängen: Sie waren besonders klug und weise, sie verletzten niemals die Gebote, sie feierten besonders schöne Gottesdienste oder sie gewannen in den religiösen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit viele Streitgespräche und Rededuelle. Sondern: An ihrer Liebe waren sie zu erkennen. Was Jesus ihnen auftrug, nämlich Gott und den Nächsten zu lieben, nahmen sie sich zu Herzen. Sie sorgten für Arme und Bedürftige, sie kümmerten sich um Witwen und Waisen, unterstützten Arbeitslose und Schutzbedürftige, beherbergten Durchreisende und Fremde.  Standesgrenzen kannten sie nicht. Sklaven wurden freigekauft und Gefangene besucht. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen, politischer Umbrüche und wirtschaftlicher Krisen hob sich die praktizierte Nächstenliebe der Christen offensichtlich wohltuend vom Egoismus ihrer Umwelt ab.

Sind unsere christlichen Gemeinden und Gemeinschaften auch heute noch von einem solchen Geist der Liebe durchdrungen? Kann man auch an unseren Pfarrgemeinden, Dekanaten und Bistümern noch sehen „wie sie einander lieben“? Die praktische Nächstenliebe wurde in caritiativ-diakonische Einrichtungen „ausgelagert“. Sicherlich gibt es kirchliche Krankenhäuser und Sozialstationen, doch es wird zunehmend schwerer, Mitarbeitende mit einer kirchlichen Bindung und christlichen Lebenspraxis zu finden. Sicherlich gibt es in familiären und nachbarschaftlichen Beziehungen sowie  in einzelnen Pfarreien auch Netze liebevoller sozialer Aufmerksamkeit, doch der Kern des kirchlichen Betriebs hat sich auf die Feier und die Wortverkündigung des Glaubens verlegt. Die Liturgie muss korrekt vollzogen, bedarfsgerecht gestaltet, stimmig und berührend sein. In katechetischen und religionspädagogischen Programmen wird versucht, die Freude des Glaubens zu entfachen und weiterzutragen. Doch wo wird da Liebe sichtbar und spürbar?

Wie gegen die Christen in den Gemeinden und Gemeinschaften, die gehen Mitarbeitende in den Kirchen eigentlich miteinander um? Können sie in dieser schnelllebigen und unverbindlichen Zeit in ihren Teams, Gruppen, Gremien und Veranstaltungen noch zuhören, mitfühlen, die Sprachlosigkeit aushalten, Trauer ausdrücken? Können sie einander in ihrer Vielfalt und Andersartigkeit annehmen? Können sie geduldig einander wachsen und entwickeln lassen? Können sie selbst loslassen und ihren Mitmenschen vertrauen? Manchmal erscheint es mir so, dass sich allzu häufig die Sache in den Vordergrund schiebt:  Die nächste Gottesdienstordnung, den Ablauf des Kommunion-Elternabends, die Vorbereitung des Pfarrfests, das passende pastorale Konzept, die richtige theologische Position, die Sorge um die Entwicklung der Kirche, die Kritik an einem System.  Die andere Person  in ihrer Persönlichkeit, ihrer Einzigartigkeit und ihrer Würde anzunehmen und gelten zu lassen – diese Fähigkeit scheint auch unter uns Christen bisweilen verloren gegangen zu sein.  Jeder und jede kann etwas dazu beitragen, dass Gottes Liebe zu den Menschen Hand und Fuß bekommen kann.

Das Herz-Jesu-Fest, das wir heute begehen, stellt uns die liebevolle Zuwendung Gottes wie einen Hirten vor, der auch den verlorenen Schafen nachgeht und sich darüber freut, wenn er sie gefunden hat. Man könnte das Verlorene, das Verirrte, das Verfehlte  in uns selbst und in unserer Gemeinschaft ja auch abschreiben, vergessen und auszubügeln versuchen. Aber nein: Gott  geht ihm nach, sucht es und verschafft ihm einen Platz in der Mitte. Diese selbstlose, vorurteilsfreie Liebe kann eine Kraft entfalten, die befreit und beflügelt, die nach außen strahlt und zur Nachahmung einlädt, die weitergegeben werden will. Gerade im Umgang mit dem Anderen, Fremden, Neuartigen, Unverständlichen, Abseitigen und Abgestempelten bin ich eingeladen, Geduld und Barmherzigkeit zu zeigen, wahrzunehmen und zuzuhören, mich selbst zu verändern und mich für Kompromisse zu öffnen. So kann eine Gemeinschaft immer mehr von der Liebe geprägt sein und einladen, sich von dieser Liebe anstecken zu lassen. Dass wir selbst der Liebe in uns, in unseren Gemeinden und Gemeinschaften immer mehr Raum geben, dazu lädt uns auch das heutige Herz-Jesu-Fest ein.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg


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Die nächsten Termine

Freitag, 26. April
Bildungs- und Familienwochenende: Eine Einladung zum generationsübergreifenden Treffen
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Referat Ehe und Familie im Bistum Eichstätt
Montag, 29. April
18.00 Uhr
„Kirche in der Welt von heute“: „Tag der Diakonin“
Ort: Wallfahrtskirche Mariä Namen - Trautmannshofen
Veranstalter: Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) im Bistum Eichstätt
Samstag, 04. Mai
10.00 Uhr
Sonntag, 05. Mai
17.00 Uhr
Zum Glück gibt es Wege - Anselm Grün & Clemens Bittlinger
Ort: Pfarrheim St. Elisabeth Postbauer-Heng
Veranstalter: Pfarrei Postbauer-Heng
Montag, 06. Mai
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Ecclesia Neumarkt
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 11. Mai
14.30 Uhr
Diözesaner Kinderchortag
Veranstalter: Stabsstelle Amt für Kirchenmusik
Sonntag, 12. Mai
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
19.30 Uhr
Klassik im Kloster - Ein Abend mit Brahms
Ort: Kloster Plankstetten - Gäste und Tagungshaus
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
Freitag, 17. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
19.00 Uhr
„Don Kosaken Chor Serge Jaroff“ - Konzert
Ort: Pfarrkirche St. Willibald
Veranstalter: Pfarrverband Neumarkt-West
Samstag, 18. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Montag, 03. Juni
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Pfarrheim St. Willibald Woffenbach
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 08. Juni
09.30 Uhr
Samstag, 22. Juni
10.00 Uhr