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18.03.2024

Weiße Fahne für Mariupol? - Gedanken zu den aktuellen Papst-Äußerungen zum Ukraine-Krieg

Grafik: pixabay

90 Minuten Entsetzen, Mitleid, Wut, Trauer, Erschütterung. Ich sehe mir spätabends im Fernsehen noch den oscargekrönten Dokumentarfilm „20 Tage in Mariupol“ an. Darin hält ein ukrainisches Jornalistenteam der Nachrichtenagentur AP die Gräueltaten der russischen Invasion in der belagerten Stadt Mariupol fest. Nicht umsonst versieht die ARD den Film mit folgendem Hinweis: „Der Film gibt erschütternde Einblicke in das Leid der belagerten Zivilbevölkerung, die auf mache zuschauende verstörend wirken können.“ Und tatsächlich: Hautnah mitzuerleben sehen sind das Entsetzen, die Angst, das Leid, die Ängste und das Sterben der Menschen im ukrainischen Mariupol. Der Invasionskrieg ist erst wenige Tage alt, schon sind die Eingeschlossen mit der schlimmsten Kriegsrealität konfroniert: Zerstörter Wohnraum, kein Strom, fehlende Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser, Ungewissheit über das Schicksal von Angehörigen und Freunden. Ein normaler Arbeitsalltag ist nicht mehr möglich. Dazu hunderte Schwerverletzte und Sterbende in den überfüllten Krankenhäusern. Ärztliche Behandlung und Pflege sind dort nun unter widirgen Umständen möglich. Eine Geburtsklinik wird beschossen. Kinder müssen mit ihren Eltern tagelang in Kellern verbringen. Dazu der Bomben- und Fliegerlärm. Irgendwann ist auch die letzte Feuerwache der in Schutt und Asche gelegt. Tod und Zerstörung sind allgegenwärtig. Dokumentiert ist in dem Film bor allem auch der Terror gegen die Zivilbevölkerung, sind die Kriegsverbrechen der russischen Angreifer.

Beim Anschauen klingen in mir folgende Worte nach: „Ich glaube, derjenige ist stärker, der die Lage erkennt, der ans Volk denkt und den Mut zur weißen Flagge hat, zum Verhandeln.“ Gesagt haben soll sie Papst Franziskus in einem Interview, das erst am 20. März ausgestrahlt werden soll. Jener Papst also, der sich vor genau elf Jahren ganz bewusst nach dem heiligen Franziskus, dem „Mann des Friedens“ benannt hatte. Jener Papst, der seither unermüdlich für ein friedliches und gerechtes,  menschenwürdiges und ökologiebewusstes Miteinander einsetzt. Dies mit militärischen Mitteln erreichen zu können, hält Franziskus für unmöglich. Und so muss die Beendigung des unermesslichen Leides letztlich ganz oben auf der derzeitigen Agenda stehen: „Verhandeln ist ein mutiges Wort. Wenn du deine Niederlage siehst, wenn du siehst, dass es nicht weitergeht, muss man den Mut haben, zu verhandeln. Schämst du dich deswegen? Aber wie viele Tote muss es am Ende geben? Man muss beizeiten verhandeln und einen Vermittler suchen.“ Und weiter: „Verhandeln ist niemals ein Sich-Ergeben. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen.“ Weltweit wurden die Aussagen so verstanden: Die Ukraine könne militärisch nicht siegen. Um das Leid der Menschen dort zu beenden, sei es wohl besser, mit den russischen Invasoren in Verhandlungen zu treten. Dass dies auch einem Eingeständnis der ukrainischen Niederlage gleichkomme – dieser Gedanke wurde vom Papst in diesem Interview wohl nicht berüksichtigt. Wohl kaum einer interpretierte die Aussagen von Franziskus als Aufruf an das Regime im Kreml, an den Verhandlungstisch zu treten. In aller Welt führte diese Aussage daher zu Kritik und Widerspruch.

"Schauen wir auf die Geschichte. Alle Kriege, die wir erlebt haben, enden mit einer Übereinkunft“, sagt der Papst. Das klingt beinahe schon zynisch: Wie viele Kriege endeten mit der militärischen Niederlage einer Kriegspartei und der Unterzeichnung einer bedingslosen Kapitulation. Man denke nur an den Zweiten Weltkrieg. Der Aggressor führte dabei so lange Krieg, bis er schließlcih 1945 selbst vernichtet war. Mit Einkehr und Umsicht, Verhandlungen und Waffenstillstandsangeboten war jahrelang nichts zu machen. Kriege werden oft nicht geführt, um ihn ab einem bestimmten Zeitpunkt am Verhandlungstisch zu Ende zu führen, sondern um den Gegner zu besiegen oder sogar zu vernichten. Nicht alle Kriege entstehen einfach nur deswegen, weil friedliche Mechanismen der Konfliktlösung versagt haben, sondern weil es in erster Linie um Macht und Vorherrschaft geht. Kriege beginnen in den wenigsten Fällen  aus rationalem Kalkül heraus, sondern meist aus ideologischer Verblendung und selbstherrlicher Überschätzung. Gottseidank hat sich ein allgemein anerkanntes Völkerrecht entwickelt, so dass militärische Gewalt, die nicht eindeutig der Selbstvertieidgung dient, schlichtweg Unrecht ist. Und dass auf dieser Erde nicht einfach das „Recht des Stärkeren“ gelten kann. Dass für alle Völker auf diesem Globus ein Selbstbestimmungsrecht gilt. dass Angreifer bestraft werden müssen und nicht belohnt werden dürfen. In diesem Invasionskrieg, der am 24. Februar 2022 über die Ukraine hereinbrach, geht es auch um gerechte, um eine auf Recht und Gesetz beruhende Weltordnung, um die Gültigkeit von Menschen- und Bügerrechten. Wenn der Papst also zu Verhandlungen aufruft, dann müsste er zu allerst Putin, zumindest aber beide Kriegsparteien gleichzeitig ansprechen.

Es mag sein, dass die Worte des Papstes aus dem Zusammenhang gerissen sind. Es mag sein, dass Franziskus nicht einfach rufen kann: Kämpft so lange, bis ihr alle eure Ziele erreicht habt. Es mag sein, dass das Neue Testament nicht die Sprache der militärischer Stärke spricht. Es mag sein, dass Verhandlungen, dass das Miteinander-Sprechen immer besser ist als Terror und Gewalt. Doch zwei Punkte schmerzen: Von Papst Franziskus sind keinerlei einprägsamen Worte gegen die russiche Invasion bekannt. Die Kirche hätte sich von Anfang an deutlicher auf die Seite einer von demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipen Weltordnung stellen sollen. Und der Papst hätte auch mitbrüderlich den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill, Putins treuem Beifallklatscher, kritisieren müssen. Aus der Gewaltfreiheit Jesu eine pure System-Neutralität herauszulesen wollen, kann durchaus irritieren. Und zweitens: Nach einem Verhandlungsfrieden zu rufen und Verhandlungen in die Wege zu leiten, ist keine Aufgabe, die man in einem Interview erledigt. Über die „weiße Fahne“ wird da genauso geplaudert wie über die „weiße Soutane des Papstes“ und „weiße Brautkleider“ bei der Hochzeit. Wenn ich mir Neutralität verordne, um die Kriegsprteien an der Verhandlungstisch zu bringen, dann darf dies nicht auf eine so flapsige und unreflektierte Art und Weise geschehen.

Nach den Bilder aus Mariupol kann ich nur sagen: Papst Franziskus, du hast mich schwer enttäuscht. Und du bist mir auf diesem Weg eine Antwort schuldig geblieben, wie die leidgeprüften Frauen und Männer, Kinder und Jugendlichen in den Bunkern und Kellern, in den Lazeretten und Krankenhäusern, in Flüchtlingsheimen und Notunterkünften, aber auch alle Menschen in den Nachbarländern der militärisch Großen und Starken eine Zukunft in Freiheit und Selbstbestimmung haben können. Wenn ich etwas aus der Bergpredigt gelernt habe, dann dass unser Augenmerk den Leidenden, Schwachen und Rechtlosen gelten muss – heute in diesem Krieg und morgen für unsere ganze Welt.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

Die nächsten Termine

Montag, 29. April
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„Kirche in der Welt von heute“: „Tag der Diakonin“
Ort: Wallfahrtskirche Mariä Namen - Trautmannshofen
Veranstalter: Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) im Bistum Eichstätt
Samstag, 04. Mai
10.00 Uhr
Sonntag, 05. Mai
17.00 Uhr
Zum Glück gibt es Wege - Anselm Grün & Clemens Bittlinger
Ort: Pfarrheim St. Elisabeth Postbauer-Heng
Veranstalter: Pfarrei Postbauer-Heng
Montag, 06. Mai
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Ecclesia Neumarkt
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 11. Mai
14.30 Uhr
Diözesaner Kinderchortag
Veranstalter: Stabsstelle Amt für Kirchenmusik
Sonntag, 12. Mai
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
19.30 Uhr
Klassik im Kloster - Ein Abend mit Brahms
Ort: Kloster Plankstetten - Gäste und Tagungshaus
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
Freitag, 17. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
19.00 Uhr
„Don Kosaken Chor Serge Jaroff“ - Konzert
Ort: Pfarrkirche St. Willibald
Veranstalter: Pfarrverband Neumarkt-West
Samstag, 18. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Montag, 03. Juni
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Pfarrheim St. Willibald Woffenbach
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 08. Juni
09.30 Uhr
Samstag, 22. Juni
10.00 Uhr
Sonntag, 14. Juli
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt