Einander Hirten sein: Ein Impuls für den Alltag
Jetzt sieht man sie auch bei uns im Landkreis wieder häufiger: Schafherden an den Hängen des Oberpfälzer Jura und auf den Wiesen unserer heimischen Landschaft. Sie wandern in den kommenden Monaten von einer Weidefläche zur nächsten, sind also ständig in Bewegung. Immer dabei ist ein Schäfer, der bestens mit den Tieren aus seiner Herde vertraut ist. Er kennt die Schafe sehr gut, kann Gefahren realistisch einschätzen und ist Experte für die Nutzung der Flächen.
Manchmal tragen wir recht romantische Vorstellungen von der Tätigkeit des Schäfers mit uns herum, der draußen rund um die Uhr für seine Schafe sorgt. Wir kennen aber auch Gebete und Erzählungen aus der Bibel, die sich mit den Hirten in den Mittelpunkt stellen. Wem sind nicht die Anfangsworte des berühmten Psalm 23 im Ohr: „Der Herr ist mein Hirte“? Doch eigentlich wissen wir sehr wenig über die Tätigkeit eines Hirten, seine Lebens- und Arbeitswelt ist uns eher fern. Ist das Bild von einer gelenkten Herde, die nur auf das Bellen der Hirtenhunde anspricht und der Routenplanung ihres Hirten blind vertrauen, noch ein zeitgemäßer, gut verständlicher Vergleich?
Wir erleben zumindest, dass jeder und jede von uns in mehreren „Herden“ einen Platz hat: In einer Familie, einer Kindergartengruppe oder Schulklasse, einer Firma oder einem Kollegenkreis, in einer Mannschaft, in einem Verein, in einem Gremium oder Team. Natürlich gibt es da Leiter, Lehrer, Trainer, Vorgesetzte, die die Aufgabe eines Hirten übernehmen. Immer wieder merken wir aber auch, dass es nicht nur auf den Hirten ankommt, sondern auch auf unser Miteinander: Wie wir aufeinander hören und miteinander umgehen, wie wir Rücksicht aufeinander nehmen und uns gegenseitig gut ergänzen, wie wir alle mitkommen lassen und auch die Schwächeren im Blick haben. Manchmal kann eine Herde auch dann eine Zeit lang gut funktionieren, wenn kein Hirte oder nur ein schwacher Leiter da ist. Entscheidend sind der Geist des Miteinanders und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
Wir können also einander zu Hirten werden: Jeder und jede in der ganz persönlichen Aufgabe, Rolle, Funktion. Wir alle können unseren Beitrag für das Zusammenleben und die Gemeinschaft leisten: vorausschauend, zuvorkommend, rücksichtsvoll, achtsam, sensibel, wertschätzend. Jesus hat einmal gesagt: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir.“ Könnte das nicht nur eine Aussage über ihn selbst oder vielleicht über (kirchliches) Führungspersonal sein, sondern für uns alle? Uns immer besser kennen und schätzen lernen, aufeinander hören und sich gegenseitig zu aufmerksamen Wegweisern werden – das kann doch jeder und jede von uns.
Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg
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