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31.01.2022

Es trotzdem probieren - INNE HALTEN in der Krise

Foto: pixabay

„Katholisch & trotzdem okay“ – so lautete der Titel eines Buches, das ich in meiner Zeit als Buchhändler von rund 15 Jahren häufig verkaufte. Dieser Titel scheint derzeit aktueller denn je zu sein. „Gehen oder bleiben?“ – titelte nun das „Magazin am Wochenende“ der Neumarkter Nachrichten vor dem Hintergrund des Missbrauchgutachtens im Erzbistum München-Freising. „Ich bin wütend, fassungslos und angewidert“, schreibt die Autorin dieses Artikels. Wie vielen Menschen in Deutschland geht es in diesen Tagen. „Darf man einer Institution angehören, in der Kinderschänder geduldet werden? Wäre man nicht verpflichtet, aus der Kirche auszutreten?“, fragt die Redakteurin.

In der Tat: Es tun sich Abgründe auf.  Nicht nur dass es zu sexualisierter Gewalt kam, erschüttert uns so tief, sondern auch dass man sich für das Leid der Opfer, der sogenannten „Betroffenen“, also von Kindern, Jugendlichen, Schutzbefohlenen, nicht interessierte. Das über Jahrhunderte hinweg aufgebaute Lehrgebäude katholischer Morallehre scheint nun innerhalb weniger Wochen und Monate in sich zusammenzustürzen. Der frühere Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger – „Mitarbeiter der Wahrheit“, wie sein Wahlspruch als Bischof lautete – scheint nicht nur wegen einiger Erinnerungslücken sein eigenes Lebenswerk in Gefahr zu bringen. Vielmehr schmerzt es nicht nur die Opfer, sondern auch engagierte Katholiken, dass er eine falsche Aussage über eine Ordinariatssitzung 1980 lediglich als „redaktionellen Fehler“ abtat, ohne sein Bedauern auszudrücken oder seine Mitverantwortung für das System zu thematisieren. Wer als Theologe jahrzehntelang für die Verbindung von Glauben und Vernunft kämpfte und wer als Kardinal und Papst „Hüter der Wahrheit“ an höchster Stelle jahrzehntelang für den Bestand des katholischen Lehrgebäudes Verantwortung trug, muss sich dieser Kritik stellen.

Es musste erst eine Anwaltskanzlei beauftragt werden, bis die traumatisierenden Erfahrungen und das ein Leben lang andauernde Leid der Opfer in den Mittelpunkt gerückt wurden. Selbst in der Bewältigung der Krise trat ein Systemversagen an den Tag. Auch nach dem Aufdecken der ersten Fälle im Jahr 2010 ging es noch immer daran, ein System aufrechtzuerhalten, das von innen heraus schon lange krank ist. Es galt offensichtlich den Macherhalt und den Einfluss bestimmter Gruppen wie etwa die Kleriker oder einiger Funktionsträger in den Ordinariaten zu sichern. Und noch immer kommt es zu Grenzüberschreitungen – Tag für Tag: überall dort, wo in Predigt und Verkündigung mit Worten verletzt wird, wo ein geistliches Amt für bestimmte spirituelle oder kirchenpolitische Zwecke missbraucht wird, wo der Amtsschimmel um sich greift, wo der Eigeninitiative und Leidenschaft von aktiven Gläubigen Steine in den Weg geworfen werden.

Auch als „im Maschinenraum der Kirche“ tätiger kirchlicher Mitarbeiter, also als jemand, der nicht nur von außen kommentiert oder aus der Distanz urteilt, stehe ich ratlos da und frage mich: Was hält mich in dieser Kirche, was lässt mich bleiben? Im Rückblick auf mein bisheriges Leben bin ich froh und dankbar für viele Begegnungen und Beziehungen, Erlebnisse und Erfahrungen, die mein Leben reich machten und mich zu dem werden ließen, was ich bin: Gottesdienste, Ministrantenstunden, Besinnungswochenenden, Jugendreisen, das Sternsingen, Hilfsaktionen, Versammlungen und Konferenzen. Und in meinem jetzigen Dienst erlebe ich auch: Kirche kann dort Vertrauen gewinnen, wo sie echt und ehrlich ist, wo man das Gegenüber als Gottes geliebtes Kind ernst nimmt und wertschätzt, wo man unterschiedliche Meinungen und Herangehensweisen zulässt und ermöglicht, wo man Vielfalt annehmen kann, wo man sich selbst nicht überhöht oder überhöhen lässt, wo man zum Lernen und Weiterentwickeln bereit ist.

„Die wahre Macht ist der Dienst“, brachte es Papst Franziskus bereits bei seinem Amtsantritt auf den Punkt. Das gilt für alle, denen eine Verantwortung übertragen wurde: Bischöfe mit ihren Mitarbeitern in den Ordinariaten, Pfarrer mit ihren Teams, Ordensleute, Beraterinnen und Pfleger, Erzieherinnen und Lehrer, Ehrenamtliche in Gremien, Teams und Gruppen. Wo es gelingt, füreinander da zu sein und einander zu diesen – egal in welcher Funktion und Aufgabe –, da kann auch etwas wachsen, da kann Gottes Liebe und Zuneigung auch in diesen Tagen Hand und Fuß bekommen. Diese oft sehr zaghafte Erfahrungen – und nicht die Erklärung von Bischöfen, Laienvertretern, Politikern oder Medienleuten – geben mir Mut, es immer wieder mit der Kirche zu probieren.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg


Texte von Christian Schrödl auf den Homepages der Dekanate Neumarkt und Habsberg:

"Die Sehnsucht nach mehr" - Impuls für den Alltag (16.1.2021)

"Welche Überschrift?" - Ein Impuls zum Fest "Taufe des Herrn" (9.1.2021)

"Da fielen sie nieder"- Ein Kommentar zum Hochfest "Erscheinung des Herrn" (6.1.2021)

"Zu Engeln und Friedensbringern werden" - Weihnachtsgrüße 2021 des Dekanates

"Werde Licht-Träger!" - Impuls für den Alltag (12.12.2021)

"Einstimmen und vorbereiten" - Gedanken zum Advent (28.11.2021)

"Der fehlende Sankt Martin" - Impuls für den Alltag (14.11.2021)

"Wie Gottes Geist durch das Dekanat weht" - Zum Dekanatsforum (9.11.2021)

"Zeit der Lichter" - Impuls für den Alltag (7.11.2021)

"Die Netze auswerfen" - Impuls zum Thema des Dekanatsforums (29.10.2021)

"Gegen die Betriebsblindheit" - Impuls für den Alltag (24.10.2021)

"Am Reichtum teilhaben" - Impuls zum Rosenkranzfest (10.10.2021)

"Es gibt so viele Wege zu Gott..." - Vortrag bei Cursillo (18.9.2021)

"Auf der Suche nach neuem Mut" - Impuls zum Fest Kreuzerhöhung (14.9.2021)

"Menschenwürde in Gefahr" - Impuls für den Alltag (12.9.2021)

"Altweibersommer" - Impuls für den Alltag (5.9.2021)

"Kleider machen leute" - Impuls für den Alltag (29.8.2021)

"Wachsen in Wert und Würde" - Impuls für den Alltag (16.5.2021)

"Die Kirche und die Corona-Krise" (Online-Vortrag vom Januar 2021)

Die nächsten Termine

Montag, 06. Mai
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Ecclesia Neumarkt
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 11. Mai
14.30 Uhr
Diözesaner Kinderchortag
Veranstalter: Stabsstelle Amt für Kirchenmusik
Sonntag, 12. Mai
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
19.30 Uhr
Klassik im Kloster - Ein Abend mit Brahms
Ort: Kloster Plankstetten - Gäste und Tagungshaus
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
Freitag, 17. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
19.00 Uhr
„Don Kosaken Chor Serge Jaroff“ - Konzert
Ort: Pfarrkirche St. Willibald
Veranstalter: Pfarrverband Neumarkt-West
Samstag, 18. Mai
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Montag, 03. Juni
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Pfarrheim St. Willibald Woffenbach
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 08. Juni
09.30 Uhr
Samstag, 22. Juni
10.00 Uhr
Sonntag, 14. Juli
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
Sonntag, 28. Juli
13.30 Uhr
Sonntag, 15. September
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
Sonntag, 27. Oktober
17.00 Uhr
Gedenkkonzert zu Ehren der Lauterhofener Korea-Missionare
Ort: Pfarrkirche St. Michael Lauterhofen
Veranstalter: Pfarrverband Lauterhofen
Sonntag, 03. November
13.30 Uhr
Kirchenführung Münster St. Johannes mit Schwerpunkt "Isenheimer Altar"
Ort: Münster St. Johannes Neumarkt
Veranstalter: Tourist-Information Neumarkt